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So ergeht es Michelstadts Rathaus bei der Sanierung

Jörg Schwinn

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Foto – © Guido Schiek

Das berühmte Wahrzeichen der Stadt im Odenwald ist von Folien verhüllt. Dahinter nehmen sich Fachleute behutsam und mit „Ehrfurcht“ der über 500 Jahre alten Bausubstanz an.

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Michelstadt. „Mach mal einen Punkt“, sagt Malermeister Hermann Weyrich. Und Stefan Dingeldein tut genau das: Der Zimmermann reißt ein Stück blaues Klebeband ab, pappt es an einen der Fachwerkbalken an der Stirnseite des Michelstädter Rathauses und schreibt eine Nummer darauf, an dieser Stelle ist es die Acht. Sie markiert gut sichtbar ein zwei Zentimeter tiefes Loch im Eichenbalken, das es später auszubessern gilt.

Am Ende werden es jede Menge dieser blauen Punkte sein. Denn die beiden Handwerksmeister arbeiten sich auf dem Gerüst, das derzeit das Wahrzeichen der Stadt umgibt, aufwärts und Ebene für Ebene um das Rathaus herum. Hier ein Nagel, der zu ziehen ist, dort loses Material, das entfernt werden muss, da eben Löcher und Abplatzungen im Eichenholz: Die beiden Fachleute erstellen eine Bestandsaufnahme der Schäden, die dokumentiert, beseitigt und hinterher zur Dokumentation noch einmal fotografiert werden.

Farbton wird mit Denkmalschutz abgesprochen

Die senkrechten Fugen im Holz, verraten sie nebenbei, sind in der Regel ein kleineres Problem – bei den waagrechten müsse man dagegen ganz genau hinschauen: In denen sammelt sich gern Feuchtigkeit, die dem Holz nicht guttut. Und all diese Stellen müssen abgearbeitet werden, bevor die Balken ihren neuen Anstrich erhalten, für den Weyrich zurzeit Farbmuster in seiner Werkstatt ansetzt. Welcher Ton es letztlich wird, entscheidet dann der Denkmalschutz. Zur Beruhigung aller Bürger, von denen einige zu Beginn der Arbeiten deswegen besorgt beim Bauamt nachgefragt hatten: Es bleibt beim Braun und damit dem gewohnten Anblick.

So nah wie an diesem Vormittag vom Gerüst aus kommt man als Laie dem Fachwerk des Michelstädter Rathauses sonst nie, und das gilt räumlich wie emotional. Denn irgendwie lässt es sich nicht anders sagen: Das uralte Eichenholz des 1484 errichteten Baus verströmt eine ganz besondere Aura, atmet Geschichte aus jeder Pore seiner von Balken zu Balken so ganz unterschiedlichen Struktur.

Bewunderung für die Bauleute von einst

Das ist etwas, dem sich auch die beiden Fachleute nicht entziehen können – zumal ihnen natürlich bewusst ist, dass sie am berühmtesten Gebäude der Stadt Hand anlegen: „Man spürt da schon eine gewisse Ehrfurcht“, sagt Weyrich. Und Dingeldein ergänzt: „Ich bewundere die, die das Rathaus vor über 500 Jahre gebaut haben. Und auch die, die es vor 120 Jahren saniert haben.“ Das seien schon tolle Leistungen, vor allem, „wenn man weiß, was Eiche wiegt“.

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Schmuckstück unter Folie: Michelstadts Rathaus ist verhüllt.
© Guido Schiek

Eine Baustelle wie diese „ist bei uns immer Chefsache“, betont auch ein weiterer der beteiligten Spezialisten mit Blick auf die Bedeutung der Aufgabe: Ralf Rößler hat mit seinem Team der Firma „Die Baureiniger“ (Freiberg am Neckar) erst dafür gesorgt, dass die Balken nun im Detail in Augenschein genommen werden können: Sie haben mit einem speziellen Wirbelstrahlverfahren die alten Farbschichten auf dem Holz entfernt.

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Jede Schadstelle am Fachwerk bekommt ihre eigene Nummer.
© Guido Schiek

Dafür, erzählt Rößler, wurden die Balken mit Aluminium-Silikat abgestrahlt, und das bei einem vergleichsweise geringen Druck von zwei Bar. „Damit holen wird nur den Farbanstrich herunter“, ohne dem Holz zu schaden, sagt Rößler. Er und seine Kollegen waren dabei in einem „geschlossenen System“ im Einsatz. Meint: im Ganzkörperanzug samt Helm zum Schutz gegen Staub und Krach. Denn das Abstrahlen funktioniert nun mal nicht ohne reichlich Lärm.

Handwerker freuen sich über Michelstädter Gastfreundschaft

Größere Beschwerden habe es deswegen aber nicht gegeben. Vielmehr habe er sich mit seinem Team sehr gut aufgenommen gefühlt, sagt der Geschäftsführer und lobt die „Gastfreundschaft“ in Michelstadt: „Das haben wir auch schon anders erlebt.“ Hier aber seien Anwohner und Passanten einerseits sehr einsichtig und andererseits stark interessiert an den Arbeiten gewesen: „Der Kontakt war sehr gut.“

Beim Ortstermin ist nun nur noch der Industriestaubsauger zu hören, mit dem das verbliebene Aluminiumsilikat aus dem Kopfsteinpflaster entfernt wird. Das sind nur noch Restarbeiten, die noch am selben Tag abgeschlossen werden sollten. Bedeutet: Die Strahlarbeiten haben nur etwa zwei statt der geplanten drei Wochen gedauert.

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Der Rathaussaal kann schon bald wider benutzt werden.
© Guido Schiek

Das freut auch Michelstadts Stadtbaumeisterin Alexandra Erle und ihren Mitarbeiter Marcus Finger, dem die Bauleitung beim Projekt Rathaus-Sanierung obliegt. Insgesamt, so Finger, sind die Arbeiten bisher sehr gut verlaufen; am 21./22. März kann sogar die Veranstaltung „Theater satt“ im Rathaussaal stattfinden, wenn auch natürlich mit Folie vor dem Fenster und ohne den gewohnten Ausblick auf den Marktplatz.

Bei der Fertigstellung kommt es auch aufs Wetter an

Geplant ist das Gesamtvorhaben bis Ende April. Ob bis dahin alles fertig ist, liegt allerdings nicht nur in der Hand der Beteiligten, sondern ist auch abhängig von der Witterung, sagt Malermeister Weyrich. Denn damit der neue Anstrich aufgetragen werden kann, darf es halt auch nicht zu kalt sein.

Darüber, wie es auf der Baustelle läuft, informiert die Stadt Michelstadt jeweils aktuell auf ihrer Internetseite www.michelstadt.de. Dort finden sich auch Bilder vom bisher sicherlich spektakulärsten Moment, dem Abheben des Glockenturms per Autokran. Alles in allem lässt sich die Kommune die Sanierung ihres Wahrzeichens rund 217.000 Euro kosten: Zu dem Vorhaben gehört neben den Arbeiten an der Bausubstanz auch der Einbau einer neuen Blitzschutzanlage, um die zahlreichen Winkel des Baus zu erfassen und das Rathaus besser vor Wetterrisiken zu schützen.

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Fachleute im Gespräch: Zimmermeister Stefan Dingeldein (links) und Malermeiste Hermann Weyrich begutachten das Gebälk des Michelstädter Rathauses.
© Jörg Schwinn

Die alten Leitungen waren „unterdimensioniert und entsprachen nicht mehr den Vorgaben“, hatte Finger vor einiger Zeit bei der Vorstellung des Projekts erläutert. Die begleitenden Erdungsarbeiten für die Blitzschutzanlage werden das Gesamtprojekt abschließen, denn gegraben werden kann rund um das Rathaus erst, wenn das Gerüst wieder verschwunden ist.

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